Warum Solidarität allein nix wert ist...

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Mit der Solidarität ist es nicht weit her in Österreich. Zu diesem Schluss kam die österreichische Wertestudie 2018*. Es gäbe in diesem Land wenig Solidarität mit Arbeitslosen, Notstandshilfe- und Mindestsicherungsbeziehern sowie Migranten. Wer hilfsbedürftig ist und einer gesellschaftlichen Randgruppe angehört, hat´s also nicht leicht. So manch Einzelunternehmer, der hierzulande vom Härtefall-Fonds gefoppt wird, wird nun heftig Zustimmung nicken.

Warum ist Solidarität nicht besonders ausgeprägt?

Vielleicht liegt das an der Definition von Solidarität: Solidarität bedeutet nämlich "unbedingtes Zusammenhalten mit jemandem aufgrund gleicher Anschauungen und Ziele" (Duden). Aha, so ist das also. Wir müssen nur solidarisch mit jemandem sein, der ähnliche Werthaltungen und Einstellungen vertritt wie wir. Wenn wir unser eigenes Spiegelbild erkennen, wird unser Gegenüber zu einem unterstützenswerten Menschen. Gehört er nicht demselben "Werte-Stamm" (z. B. Partei, Verein, Kirche, Nationalität) an, darf er uns also getrost am A*** vorbei gehen. Oftmals machen wir uns nicht einmal die Mühe, die Mitgliedschaft zu unserem "Werte-Stamm" zu überprüfen, bevor wir ein Urteil fällen. Wir setzen uns nicht mit den Gedanken und Ansichten der Person auseinander, sondern sprechen das Prädikat "nicht unterstützenswert" schon aufgrund äußerer Merkmale aus. Was braucht´s daher, um Solidarität wirksam werden zu lassen? Es braucht die Fähigkeit, die Andersartigkeit eines Menschen anzuerkennen – und ihn trotzdem zu unterstützen.

Vielleicht geht uns Solidarität auch schon auf die Nerven. Sie wird immer und überall postuliert und mit erhobenem Zeigefinger eingefordert. Schlendern wir durch den Gesinnungssupermarkt der sozialen Medien, werden uns grell und marktschreierisch die "Tagesangebote" feilgeboten: Eisbären,  Schwarze und die Corona-Risikogruppe wetteifern um die besten Plätze in den Regalen, um unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen. Die zeitlichen Intervalle, in denen Solidaritätsthemen serviert werden, werden immer kürzer. Überforderung tritt ein, und vielleicht beschleicht uns der Gedanke: "Und wer denkt eigentlich an uns?".

Solidarität ist wertlos, wenn sie lediglich postuliert und propagiert wird. Sie muss gelebt werden, um Wirksamkeit zu entfalten. Sie muss durch Zivilcourage komplementiert werden – den "Mut, humane und demokratische Werte ohne Rücksicht auf eventuelle Folgen in der Öffentlichkeit, gegenüber Obrigkeiten, oder Vorgesetzten" (Duden) zu vertreten. Gewaltfrei, versteht sich. Denn Solidarität hat nur dauerhaft den gewünschten Erfolg, wenn sie mit Sozialkompetenz gewürzt wird.

Welchen Stellenwert "karitative #Werte" wie Hilfsbereitschaft, Mitgefühl und Rücksichtnahme im Arbeitsleben haben, könnt ihr in meiner Studie "Werte in der Arbeitswelt 2020" lesen.

 

* Aichholzer, Friesl, Hajdinjak, Kritzinger (Hrsg.): „Quo vadis, Österreich? Wertewandel zwischen 1990 und 2018“ (2018)