Integrität - verordnet oder gelebt?

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„Oh nein, nicht schon wieder so ein blödes Gesetz“, stöhnt ein deutscher Compliance-Experte. Was ist passiert? Das „blöde Gesetz“, auf das sich der Manager bezieht, nennt sich „Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“, auch „Verbandssanktionsgesetz“ genannt. Das Ziel des unaussprechlichen Gesetzes? Die Förderung von Compliance in Unternehmen, d.h. Manager sollen sich endlich verdammtnocheins gesetzestreu und gemäß allgemein gültigen Wertvorstellungen in der Wirtschaft verhalten.

12 Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise, halb so viele seit den Anfängen von „Dieselgate“ und - als ob es noch einen weiteren Anlass für ein solches Gesetz gebraucht hätte - im Jahr des Wirecard-Skandals fordert der Gesetzgeber also erneut mit erhobenem Zeigefinger eine Verhaltensänderung unserer Manager und gebietet striktere Überwachungsmaßnahmen.

Was das Gesetz so „blöd“ macht?

Es fordert angemessene Vorkehrungen zur Vermeidung, Aufdeckung und Sanktionierung von Gesetzesverstößen. Darüber hinaus moniert es die kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung von Compliance-Maßnahmen.

„Häh – was soll das denn heißen?“, fragt unser Compliance-Experte. „Eine generellere und praxisuntauglichere Formulierung ist unseren Beamten wohl nicht eingefallen. Als ob wir uns nicht ohnehin schon seit Jahren zu Tode administrieren mit Compliance- und Geldwäschevorkehrungen. Da weiß doch keine Sau, was man jetzt machen soll."

Tatsächlich stellt sich die Frage, ob es noch mehr integritätsfördernde Vorschriften braucht, die Heerscharen von Mitarbeitern, leitenden Angestellten und Aufsichtsräten beschäftigen. Die beste „Vorkehrung zur Vermeidung von Gesetzesverstößen“ ist immer noch eine wertebetonte Organisationsentwicklung, kontinuierliches Werte-Training und -Coaching, wovon alle Unternehmensschichten erfasst werden.

Wie so etwas in der Praxis geschehen kann, habe ich in meinem Beitrag über Werte-Workshops skizziert.

Integrität braucht Kommunikation und gelebte Vorbilder. Sie kann nicht verordnet werden.