Werte der Gen X, Y und Z

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Heute wollen wir uns im Werte-Blog ansehen, welche Werte für einzelne Altersgruppen kennzeichnend sind. Zu diesem Zweck habe ich zwei Extrembeispiele rezenter Studien herausgepickt, die ich gerne durch meine Sichtweise als Management-Berater ergänze.

Was sagt das Institut für Jugendforschung in seiner Jugendstudie 2021* über Werte von Jugendlichen?

„Die Entwicklung der Werthaltungen und Einstellungen zeigt eine Hinwendung der Jugend zum Konservatismus. In Österreich und Deutschland sind rund 70% der Befragten Traditionen wichtig, jeweils über 80% schätzen Sauberkeit, Ordnung und Sparsamkeit und ebenso wird in beiden Ländern die traditionelle bürgerliche Familie hochgeschätzt. Der Patriotismus ist in Österreich stärker ausgeprägt als in Deutschland. Während über 80% der Österreicher und Österreicherinnen stolz darauf sind Österreicher zu sein, sind unter den befragten Deutschen nur rund 70% dermaßen überzeugte Patrioten. Dennoch zeigt sich in beiden Ländern, dass in unsicheren und unbeständigen Zeiten die Tendenz zu retrotopischen, traditionalistischen und patriotischen Weltbildern und Lebensentwürfen zunimmt.“

Arbeit habe bei 86% der befragten Jugendlichen einen hohen Stellenwert, Volksmusik und Trachten spielen immerhin für 53% der Jugendlichen eine wichtige Rolle. Religion befindet sich weiterhin im Sinkflug: nur 23% der StudienteilnehmerInnen geben an, dass ihnen Religion wichtig sei (bei Menschen mit Migrationshintergrund seien es immerhin noch 44%).

Beim Lesen dieser Zeilen drängt sich unweigerlich der Gedanke auf, es handle sich nicht um Jugendliche unserer Zeit, sondern um Zwischen- und Nachkriegsgenerationen, die in Jugendvereinen und Bildungseinrichtungen faschistischer Regimes geformt wurden. Ist es nur ein Zufall, dass dieser Studie durch den traditionsbewussten, rechts-libertären TV-Sender „ServusTV“ zu einer bundesweiten Reichweitenwirkung verholfen wurde? Für mich ist schwer vorstellbar, dass diese Studie junge Menschen ausserhalb abgelegener Alpentäler charakterisiert.

*Diese Jugendstudie wurde unter 16- bis 29-jährigen Österreicher/innen (n=1000) und Deutschen (n=1000), geteilt nach Alter, Geschlecht, Bildungshintergrund und Wohnregion, durchgeführt.

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Sind derlei Jugend- bzw. Generationsstudien überhaupt sinnvoll?

Martin Schröder behauptet in seiner Studie „Der Generationenmythos“ aus 2018 immerhin, dass „von der Literatur postulierte Generationsunterschiede zwischen der sogenannten Generation Y, X, den Babyboomern, den ’68ern sowie der sogenannten Skeptischen Nachkriegsgeneration in Wirklichkeit kaum existieren. Weithin verbreitete Vorstellungen, wie Generationen sich in ihren Einstellungen unterscheiden, finden sich somit empirisch nicht bestätigt. Angesichts dessen sind Umfragen wie die „Shell Jugendstudie“ wenig sinnvoll, ebenso wie eine Managementliteratur, die Ratschläge zum Umgang mit Generationenunterschieden gibt, welche empirisch nicht feststellbar sind.“ Schröder behauptet ferner, dass sich insbesondere die vielbeschriebenen Generationen Y („Millenials“) und Z in ihren Werthaltungen und Einstellungen kaum von der Gesamtgesellschaft (bzw. von den älteren Generationen) unterscheiden würden.

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Mir erscheinen die Ergebnisse der oben genannten Jugendstudie 2021 plakativ, realitätsfremd und politisch motiviert. Auch die vollkommene Verneinung von Generationsunterschieden, wie Schröder sie vertritt, erscheint mir aufgrund meiner eigenen Lehr- und Beratungspraxis nicht gerechtfertigt. Ich möchte nachfolgend jene Unterschiede zwischen Altersgruppen aufzeigen, die sich u.a. in meiner Studie "Werte in der Arbeitswelt" auftun, sowie einige Bemerkungen zu Personalführung und Organisationsentwicklung daran knüpfen - denn Management-Literatur zum Generationenthema ist mitnichten überflüssig.

Die Gen X (geboren vor 1980) ist nach meinen Beobachtungen im Vergleich zu jüngeren Generationen emotional zurückhaltender, weniger begeisterungsfähig und weniger leidenschaftlich in der Arbeitsverrichtung. Fleiß und Eifer zeigen, sich richtig „reinhauen“ – das wollen die Älteren heute nicht mehr. Interesse und Neugier lassen geringfügig nach, Streben nach materiellem oder immateriellem Erfolg steht nicht (mehr) stark im Vordergrund. Dafür will ich sie als ausdauernder als jüngere Generationen bezeichnen. Insbesondere Werte wie Beharrlichkeit, Widerstandsfähigkeit, Selbstvertrauen und Selbstdisziplin kennzeichnen ältere ArbeitnehmerInnen - Werte also, die diese Menschen zu SystemerhalterInnen in Krisen machen. Während alle anderen die Nerven wegschmeissen, laufen die Alten wie die Duracellhasen weiter.

Die Gen Y (geboren zwischen 1980 und 1997) fällt durch unterdurchschnittliche Begeisterung und Ausdauer auf. Sie ist weniger wettbewerbsbetont als andere Generationen und weist eine geringe Wertschätzung für Zielorientierung und Erfolg auf. Das unterdurchschnittliche Durchhaltevermögen liegt meines Erachtens daran, dass die Gen Y im Vergleich zu anderen Generationen der Arbeitswelt geduldsschwach, weniger beharrlich, weniger standhaft und weniger diszipliniert ist. Handlungsbereitschaft – geprägt durch Werte wie Tüchtigkeit oder Tatkraft – ist in der Gen Y wenig ausgeprägt. Die Fähigkeit, sich selbst ein positives Zukunftsnarrativ zu entwerfen, ist mangels Zuversicht und Optimismus entscheidend geschwächt. Dies trägt in weiterer Folge zu einer gewissen Antriebsschwäche bei. Duracellhasen sind diese Millenials keine, sondern eher Hasen, die ein wenig orientierungslos im Zick-Zack-Lauf durchs Leben rennen und sich auch gerne mal in eine Bodenmulde reinducken.

Die Gen Z (geboren in 1997 und danach) beschreibe ich im Vergleich zu den vorgenannten Generationen als überdurchschnittlich interessiert und zielstrebig. Werte wie Geduld (ja!), Tatkraft, Pflichtgefühl, Standfestigkeit, Hoffnung und Verlässlichkeit werden von den Jungen als wichtiger eingeschätzt als von ihren älteren KollegInnen in der Arbeitswelt. Inwieweit sie diese Werte allerdings wirklich zu leben vermögen, sei dahingestellt. Die Selbstbewertung, die meine StudienteilnehmerInnen im Rahmen meiner Studie vornehmen mussten, zeigt auch eine gewisse Tendenz zur Selbstüberschätzung in dieser Altersgruppe. Aufgrund meiner Erfahrung steht für mich fest, dass insbesondere die Gen Z, aber auch die Gen Y ein erhöhtes Anleitungsbedürfnis aufweisen.

Was leite ich daraus für Personalführung und Organisationsentwicklung ab?

Die Gen Y ist zutiefst verunsichert und wenig selbstorganisationsfähig. Sie braucht Führung – allerdings kein Micro-Management, sondern einen Chef, der mit Leitlinien für Stabilität sorgt und jederzeit ansprechbar ist. Diese Altersgruppe verspürt eine starke „Sehnsucht nach dem guten König“, dh. sie fordert Werte wie Respekt, Geduld, Rücksichtnahme, Akzeptanz und Kommunikation auf Augenhöhe von ihren Führungskräften ein. Eine moderne Lern- und Fehlerkultur ist dieser Generation ebenso wichtig. Autoritäten, die das Vorgesagte nicht verkörpern, werden abgelehnt bzw. wird ihnen mit Misstrauen begegnet.

Eine Umfrage der Zeitschrift „managerSeminare“ zeigt auf, dass 81% aller ArbeitnehmerInnen in einem New-Work-Arbeitsumfeld mit eigenverantwortlichem und selbstorganisiertem Handeln schwer zu Rande kommen. Während insbesondere die Gen Y ein derartiges Arbeitsumfeld fordert, scheint es für diese Menschen paradoxerweise nicht geschaffen zu sein. 46% aller ArbeitnehmerInnen beklagen eine Orientierungslosigkeit durch fehlende Hierarchien. Ich meine daher, dass es keineswegs Sinn macht, Hierarchien einzureißen – denn sie geben Sicherheit und Orientierung. Es braucht lediglich einen anderen Führungsstil. Die Vorgesetzten geben nicht mehr vor, was getan werden soll. Vielmehr geben sie vor, was erreicht werden soll und zeigen unterstützend jene Optionen auf, mit denen diese Ziele erreicht werden können. Innerhalb dieses Rahmens lässt es sich dann mit einem erhöhten Autonomiegrad arbeiten. Vielleicht ist das ein Rezept, um das erhöhte Sicherheitsbedürfnis und das Streben nach Selbstbestimmung der jüngeren Arbeitsgenerationen in Einklang zu bringen.

Außerdem befinden wir uns heute in einer emotionaleren Arbeitswelt als noch vor 20 Jahren. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass soziale Kompetenzen ein stärkeres gesellschaftliches Gewicht erhalten haben. Andererseits haben eine stärkere Gewichtung psycho-sozialer Lehrinhalte in Bildungseinrichtungen und eine zunehmende „Psychologisierung“ der Arbeitswelt, verstärkt durch soziale Medien, ebenfalls dazu beigetragen. Insbesondere für Führungskräfte aus der Gen X, die aufgrund ihrer eigenen Sozialisation der Vernunft stets den Vorrang vor der Emotion einräumen, stellt dies eine Herausforderung dar. Jedoch gelingt moderne Führung nur durch die Ansprache von Emotionen. Wichtige Emotionen für die Gen Y sind beispielsweise Neugier, Interesse, Mut oder Abenteuer. Nicht umsonst sehen wir derzeit Unternehmensinitiativen wie #glaubandich oder #traudichwas, die auch gesellschaftliche Relevanz besitzen. Moderne Führung hat dann Erfolg, wenn relevante menschliche Emotionen in Werte transformiert und somit von den MitarbeiterInnen nachhaltig gelebt werden können.

Wie Führung mit Werten und Emotionen funktioniert, lest ihr in meiner Studie "Werte in der Arbeitswelt" - oder ihr lernt es bei mir.

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