Supportive Leadership - wie geht das? (Teil 3/3)

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Ich kam mir vor wie der Hundetrainer Martin Rütter: „Der tut nix“! Nur dass mir kein Haustierbesitzer, sondern eine Führungskraft gegenübersaß. Konsterniert fragte ich nach: „Wie jetzt – der tut nix. Wer tut was nicht?“ Und auf einmal brach es aus meinem Gesprächspartner hervor: „Der Hinke, mein Gruppenleiter. Seit 10 Jahren arbeiten wir zusammen, immer bestes Einvernehmen, gute Leistung, eine Säule meines Bereichs. Und jetzt? Seit unser Programm Fit2030 läuft, ist der Ofen aus. Schlimmer noch, sein ganzes Team tut nix. Die kommen nicht in die Umsetzung. Die Reorganisationsziele stehen klar an der Wand, wir haben Prozesse zur Zielerreichung aufgesetzt, alle haben sie abgenickt – aber keiner tut was.“ Das Bild eines schwanzwedelnden Rütter-Coachees, der ungeduldig hechelnd auf sein Leckerli wartet, tat sich vor meinen Augen auf und ich musste unwillkürlich lächeln: ein klarer Fall für „Supportive Leadership“. Drei wesentliche Säulen dieses Management-Prinzips sollen hier vorgestellt werden:

 

  1. Neue Herausforderungen für Mitarbeiter gestalten
  2. Positive Erwartungshaltungen in Mitarbeitern wecken
  3. Eine positive Fehlerkultur in der Organisation etablieren

 Sehen wir uns in diesem Blogbeitrag den dritten und letzten Teil aus meiner Supportive-Leadership Serie an:

 

      3. POSITIVE FEHLERKULTUR SCHAFFEN

„Supportive Leadership“ bedeutet neben all den wunderschönen Dingen, die wir bereits diskutiert haben, eine positive Fehlerkultur in der Organisation zu etablieren. Wie bewerkstelligen Sie das als Führungskraft?

Leitungsbesprechung Montag morgen. Sie kriegen die neuesten Vertriebszahlen auf den Tisch und gehen an die Decke.

Sie: „Herr Deutschmann, Ihre Region C ist schon wieder das Schlusslicht. Den Umsatz konnten Sie zwar etwas steigern, aber was kommt unter dem Strich raus? Die Profitabilität ist nach wie vor nicht zufriedenstellend.  Ihre Außendienstmitarbeiter kriegen die PS einfach nicht auf die Straße. Unsere Gesamtperformance ist ok, aber nicht weil, sondern obwohl ich sie eingestellt habe.“

Deutschmann: „Wir liegen doch genau im Budget. Ich verstehe Ihre Kritik nicht.“

Sie: „Ihr unambitioniertes Budget zu erfüllen, ist doch keine Kunst. Messen Sie sich an der Realität und nicht an Ihrem Budget. Seit der Budgeterstellung hat sich die Marktsituation verbessert, da muss aus Ihrer Region mehr rauskommen.“

Deutschmann: „Wofür liefere ich ein Budget ab, wenn sowieso immer das Maximum rauskommen muss? Wenn ich den Output erhöhen soll, müssen Sie mir aber auch mehr Ressourcen zur Verfügung stellen“.

Blut im Kopf. Maximale Irritation.

Sie: „Wenn Sie mehr Ressourcen haben wollen, können Sie das haben. Ab morgen gebe ich Ihnen Frau Pfortheim als Stellvertreterin an die Seite, die wird Ihren Laden aufräumen.“

Betretenes Schweigen in der Leitungsrunde.

Kommt Ihnen bekannt vor?

Menschen können sich oft deshalb schwer auf Change einstellen, weil sie das Gefühl haben, bisher etwas Inadäquates und Unwertes geleistet zu haben. Leistungen aus der Vergangenheit müssen anerkannt werden, egal ob vom Management erwünschte Ziele erreicht wurden oder nicht. Das heißt nicht, dass die Nichterreichung von Zielen nicht angesprochen werden darf – gerade das Gegenteil ist der Fall. Dass am Ziel vorbeigearbeitet wurde, muss auf das Tapet gebracht werden. Allerdings ist Vorsicht geboten: individuellen Mitarbeitern oder Organisationseinheiten darf keine Schuld an der Nichterreichung zugewiesen werden. In einer Organisation, die sich dem „Supportive Leadership“ – Konzept verschrieben hat, sind alle gleichermaßen am Erfolg oder Misserfolg beteiligt. Führungskräfte wie Mitarbeiter gestalten gleichermaßen eine Unternehmenskultur, die für die Zielerreichung förderlich oder hinderlich ist. Moment mal - heißt das nun, dass Verantwortung sozialisiert wird? Dass jeder tun und lassen kann, ohne Sanktionen fürchten zu müssen? Dass Leistungsbereite keine Anerkennung erhalten? Keineswegs – es kommt lediglich darauf an, wie Mängel aufgezeigt werden. Wie können Sie nun Leistungsmängel in einer objektiven und für den Mitarbeiter akzeptablen Art ansprechen? Indem Sie die Ursächlichkeit seines Verhaltens für den Fehler in den Vordergrund stellen, Bewertungen (also Schuldzuweisungen) aber unterlassen. Drücken Sie sich daher so objektiv wie möglich aus und vermeiden Sie subjektive Formulierungen, die Ihre persönliche Meinung über Sachverhalt und Beteiligte hintanstellen. 

„Ihre Außendienstmitarbeiter kriegen die PS einfach nicht auf die Straße“ ist eine allgemeine Aussage, die die Ursachen der Underperformance nicht erhellt.

Zielorientierte Führungskommunikation könnte folgendermaßen aussehen: „Ich denke, dass die Profitabilität auf der Strecke bleibt, weil Ihr Personal Ausbildungsdefizite aufweist und daher die High-End-Kunden in den urbanen Zentren nicht anzusprechen vermag. Welche Ursachen sehen Sie, Herr Deutschmann?“

„Unsere Gesamtperformance ist ok, aber nicht weil, sondern obwohl ich sie eingestellt habe“ ist Zynismus in Reinform, dient nicht der Mängelbehebung und ist zu unterlassen.

Welche Möglichkeiten bestehen noch, um eine positive Fehlerkultur zu leben?

Indem Sie mit dem Verantwortlichen unter vier Augen sprechen, bevor Sie den Sachverhalt in einer Teamsitzung vorbringen. Indem Sie mögliche Konsequenzen sofort thematisieren: Sprechen Sie offen mit dem Verantwortlichen über die Möglichkeiten, die Ihnen als Führungskraft zur Verfügung stehen, um mit dem Sachverhalt umzugehen. Sprechen Sie offen an, welche Sanktionen erwartet werden können. Lassen Sie Ihren Mitarbeiter nicht im Zweifel darüber, wen Sie sonst noch informieren. Grenzen Sie den Personenkreis auf ein Minimum ein und sagen Sie Ihrem Mitarbeiter auch, wen Sie keinesfalls informieren werden. Skizzieren Sie, wie eine etwaige Information an Vorgesetze, Personalabteilung oder andere Beteiligte aussehen könnte. Geben Sie ihm die entlastende Sicherheit, nicht als Bauernopfer gebrandmarkt zu werden, sondern trotz des zu verantwortenden Fehlers weiterhin erhobenen Hauptes durch das Unternehmen gehen zu können. Lassen Sie Ihren Mitarbeiter wissen, welche Fehlerbehebungsmöglichkeiten existieren und welchen Beitrag Sie sich von ihm erwarten. Regen Sie seine Selbstreflexion an, indem Sie ihn nach Maßnahmen fragen, die ihm geeignet erscheinen. Lassen Sie ihn an diesen Maßnahmen teilhaben, um ihn einerseits aus der Schockstarre wieder in die Gestaltungskraft zu bekommen und andererseits einen „Lessons-learned-Prozess“ zu ermöglichen.

„Fehler vermeidet man, indem man Erfahrung sammelt. Erfahrung sammelt man, indem man Fehler macht.“ (L.J. Peter)

Fehler müssen gemacht werden dürfen, sonst werden Sie unter den Tisch gekehrt und vergiften die Unternehmenskultur nachhaltig. Verschwiegene Fehler ziehen schneeballartig immer größere Fehler nach sich.

Jeder muss wissen, woran er ist – was er leisten soll, was passiert, wenn er eine Minderleistung oder Mehrleistung erbringt, und welche Konsequenzen sein Handeln in der Organisation entfaltet. All das verlangt Ihnen als Führungskraft dauerhafte Kommunikation ab. Eine positive Fehlerkultur kann sich nur entfalten, wenn Sie andauernd Berührungspunkte mit Ihren Mitarbeitern haben und diese partnerschaftlich, vertrauensvoll und angstfrei gestalten. Eine deklarierte „Null-Toleranz“ für Fehler ist ein Fehler an sich. Und wenn Ihr Unternehmen scheinbar fehlerfrei läuft – dann sehen Sie doch mal genau hin und inszenieren künstliche Fehler, wenn Sie keine finden. Und Sie bescheren Ihrer Organisation heilsame Einsichten!

 

Viel Spaß bei der Implementierung meiner Supportive-Leadership Ideen.