Diversität und organisationaler Erfolg

Bereits in meinem letzten Blogbeitrag hatte ich mich als diversitätsfreundlicher LBGT-Kritiker geoutet. Das dies nicht unbedingt einen Widerspruch darstellt, möchte ich anhand eines aktuellen Beispiels aus dem US-amerikanischen Börsenrecht erklären.

Am 6. August 2021 erließ die US Securities and Exchange Commission (SEC) eine nicht verpflichtende „comply-or-explain“ Regel für NASDAQ-gelistete Unternehmen, die für diversifiziertere amerikanische Vorstandsetagen sorgen soll. Was besagt diese Regel?

NASDAQ-gelistete Unternehmen – wie beispielsweise Apple oder Tesla – sollen mindestens zwei diverse Vorstandsdirektoren beschäftigen, oder erklären, warum sie dies nicht tun. Eine dieser Personen soll sich mit dem weiblichen Geschlecht, die andere mit einer unterrepräsentierten Minderheit oder mit LGBTQ+ identifizieren. Die SEC begründet diese neue Regel ebenso hochtrabend wie schwer verständlich: diese Norm sei dazu angetan, den gerechten und fairen Prinzipien des börslichen Geschäftsverkehrs zum Durchbruch zu verhelfen, den Mechanismus des freien und offenen Marktes zu perfektionieren und die Interessen der Investoren und der Öffentlichkeit zu beschützen. Viel konkreter wird die SEC, die sich in ihrem Erlass auf etliche Diversitätsstudien stützt, nicht. Lediglich an einer Stelle wird angemerkt, dass mehr Diversität bessere Entscheidungsmechanismen garantiere und beispielsweise das „Group Think“-Phänomen bei Managemententscheidungen durchbräche. Als Corporate-Governance-affiner Österreicher bin ich geneigt, derlei Gemeinplätze mit „No na“ oder „“Eh klar“ zu kommentieren.

Enttäuschend ist für mich, dass Diversität von der SEC nur entlang diffuser ethnischer Linien und Geschlechterbegriffe definiert wird. Unterschiedliche Altersgruppen tragen genauso wenig zur Vielfalt bei wie z.B. Religionen oder Weltanschauungen. Ein 25-jähriger Wunderknabe hebt die Vorstandsvielfalt demnach ebenso wenig wie ein 85-jähriger Pensionist, der noch alle Murmeln beisammenhat (was tut unsere Arbeitswelt eigentlich gegen Altersdiskriminierung?). Ein muslimischer Russe aus Dagestan ist demnach ebenso ein „Weißer“ wie ein baptistischer Farmer aus Tennessee. Und wer garantiert überhaupt, dass ein LGBT-Vorstand nicht genauso in die „Group Think“ Falle tappt wie seine Kollegen?

Vielfalt bedeutet für mich Wertevielfalt. Ein Vorstand oder Aufsichtsrat gilt für mich dann als ausreichend diversifiziert, wenn dort Menschen mit unterschiedlichen Ansichten, Meinungen, Ideen, Konzepten, Haltungen, Einstellungen und Anschauungen arbeiten. Welche Geschlechter oder Ethnien diese Wertevielfalt verkörpern, ist sekundär.

Vielfalt bedeutet für mich Kompetenzvielfalt. Ein Entscheidungsgremium ist dann ausreichend diversifiziert, wenn dort Menschen mit unterschiedlichen Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bildungsgraden, Qualifikationen sowie Lebens- und Arbeitserfahrungen mitwirken. Welche Geschlechter oder Ethnien diese Kompetenzvielfalt verkörpern, ist sekundär.

Vielfalt lebt davon, dass Menschen genug Rückgrat haben, um ihren Minderheitsmeinungen Gehör zu verschaffen.

Vielfalt lebt davon, dass dominante Menschen abweichenden Meinungen mit Fairness und Großmut begegnen.

Gelebte Vielfalt kann daher nur durch Bildung und Persönlichkeitstraining gefördert werden. Gesetze erreichen lediglich eine ostentative, zur Schau gestellte, Diversität. Und damit ist am Ende des Tages nur der Scheinheiligkeit genüge getan.

Welche Werthaltungen – abgesehen von Diversität – noch für den Erfolg in Organisationen relevant sind, lest ihr in meinem aktuellen Buch/e-Book.

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