Diversität ist Kopfsache (1)

Krass, was diese Friseurin in einem BBC Worklife Artikel aus ihrem Berufsalltag erzählt. Sie wird im Frisiersalon eingestellt, weil sie schwarz ist. Der Inhaber will sein Unternehmen nicht divers gestalten, sondern ihm bloß den Anstrich von Diversität verpassen, behauptet seine Angestellte. Sie sei lediglich ein Mäntelchen, dass sich ihr Arbeitgeber umhängt, um divers zu erscheinen. So wie Regenbogenfarben an der Fassade. Eine „Quotennegerin“, die man gerne in die Auslage stellt (hier wortwörtlich praktiziert), jedoch eigentlich nicht haben will. Und genau diese Einstellung – „wir wollen dich hier nicht“ – wird zwar nie ausgesprochen, aber sie transpiriert, schwebt wie eine Giftwolke im Salon herum und macht die Friseurin krank. Bis sie kündigt.

Traurig? Definitiv. Weitverbreitete Praxis? Anzunehmen. Neu in dieser Welt? Wohl kaum. Geschichten wie diese haben sich in den USA seit dem Erlass der Equal Employment Gesetzgebung wahrscheinlich millionenfach ereignet. Und ich bin sicher, dass auch hierzulande viele Menschen mit Migrationshintergrund ähnliche Stories erzählen könnten. Das wirklich Krasse besteht allerdings darin, dass sich mit jeder dieser Begebenheiten das Minderwertigkeitsgefühl der Betroffenen noch mehr verstärkt – individuell wie auch kollektiv. Erzählungen wie diese und ihre Verbreitung über moderne Medien verschlimmern den Opferkomplex ganzer Bevölkerungsgruppen. Mit welcher Einstellung wird unsere Friseurin ihren nächsten Job antreten? Wie erfolgreich kann sie in ihrem Leben sein, wenn sie durch ihre Erfahrungen mental beeinträchtigt ist? Was davon gibt sie in ihrem sozialen Umfeld weiter? In welcher Geisteshaltung erzieht sie ihre Kinder? Was machen Generationen nach ihr aus diesen Narrativen?

Diese Art der Diversität, wie sie in unserem Frisiersalon betrieben wird, ist eine verlogene, scheinheilige und gesellschaftszerstörende. Sie verletzt Menschen, desillusioniert sie, lässt sie in Gewaltbereitschaft und Verschwörungstheorien abdriften und spaltet die Gesellschaft noch mehr als es eine Rassentrennung nach der „separate-but-equal“ Doktrin jemals vermocht hätte. Die wäre wenigstens ehrlich und geradlinig gewesen.

Das Beispiel unseres Frisiersalons zeigt deutlich: Diversität ist Kopfsache. Bin ich als Chef bereit, in neuen Bahnen zu denken, mein neues Denken zu kommunizieren und in Übereinstimmung mit meinen Gedanken zu handeln? Diversitätsförderliches Denken und Handeln kann nur dann passieren, wenn ich mich der Diversität emotional öffne und sie als wichtigen Bestandteil meiner Existenz (und nicht nur des Berufsalltags) annehme. Diversität heißt, das Bild eines andersartigen Menschen mindestens gleich zu lieben wie das eigene Spiegelbild. Diversität gelingt, wenn dies jeden Tag bei jeder Begegnung geübt wird. Diversität braucht stetige Selbstreflexion als Schutz gegen Vorurteils- und Gewohnheitsdenken.

Übrigens – nicht nur Angehörige von Minderheiten scheitern an der Frisiersalon-Diversität. Wenn du genau überlegst, trifft das auch auf Quer- und Neueinsteiger im Berufsleben zu, die halt ein wenig anders sind, als die organisationale Norm erlaubt.

PS:

Diversität ist nicht der einzige Eckpfeiler werteorientierter Unternehmensführung. Für alle, die an diesem Thema interessiert sind: "Spannungsfelder im Topmanagement - Ein Praxisleitfaden für gute Corporate Governance" ist im September 2022 neu erschienen. Gute Einsichten bei dieser Lektüre wünscht,

 

Christoph Dietrich

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