Benefits: noch zeitgemäß?

Ich staunte neulich nicht schlecht über diese Schlagzeilen: „Goldman Sachs offering ice cream to employees“; „PwC paying a bonus of USD 1,000 to employees“; „Nuveen offering rooftop gardens to employees, complete with beehives”. Internationale Unternehmen werden offensichtlich kreativ, wenn es darum geht, ihre Mitarbeiter zu halten. Aber ehrlich: habt ihr schon mal gehört, dass jemand gesagt hätte: „Gebt mir ein Eis und ich bleibe?“ oder „Tut was für die Bienen und ich fühle mich wohler in meinem Office?“.

Angestellte fühlen sich zusehends verarscht von „Benefits“, die sie nicht als solche wahrnehmen und die die Werthaltigkeit eines Wahlplakats haben. Darauf fällt keiner mehr rein. Falls ihr es noch immer nicht geschnallt habt, liebe Arbeitgeber: Wenn ihr nicht die Flexibilität aufbringt, um auf die individuellen Bedürfnisse eurer Mitarbeiter einzugehen, dann seid ihr die Verlierer der Arbeitswelt. Klar – mehr Individualität zuzulassen, bedeutet, das enge Korsett eurer Organisationen aufzuschnüren und Kontrollverlust zu erleiden. Für viele Führungskräfte, besonders jene der Generation X, mag dies ein schmerzvolles Erlebnis sein, eine 180-Grad-Kehrtwendung in der Unternehmensführung.

Vielleicht sollten wir gar in Zukunft nicht mehr von „Mitarbeiterbindung“ reden und so tun, als ob wir Menschen mit bunten Glasperlen, billigen Weltspartagsgeschenken und leeren Versprechungen an unsere Organisation fesseln könnten. In einer stark individualisierten Gesellschaft müssen wir akzeptieren, dass Mitarbeitermobilität weiter zunehmen und auf einem hohen Niveau verharren wird.

Unter Personalmanagern wird seit einiger Zeit viel über die „Great Resignation“ – also über eine Desillusionierung mit und einen Rückzug aus der alten Arbeitswelt – diskutiert. Wie kann dieser Erscheinung entgegengewirkt werden? Indem wir Büros schaffen, die die Ungezwungenheit der eigenen vier Wände replizieren, aber den Mitarbeitern das Chaos mit Kindern, Lebenspartnern und Nachbarn ersparen. Eine Verlängerung des Wohnzimmers, sozusagen. Indem wir ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem Formlosigkeit statt Förmlichkeit, Zwanglosigkeit statt Rigidität und Regellosigkeit statt Normierung regieren – und zwar in einem Ausmaß, das der menschlichen Autonomie Raum gibt, ohne allerdings die Compliance im Unternehmen zu gefährden. Regel-Entschlackung ist angesagt. Es ist an der Zeit, dass sich die Unternehmensführung die Frage stellt, welche Regeln im Unternehmen eigentlich noch benötigt werden, und welche einer gedeihlichen Organisationsentwicklung im Wege stehen.

Welche Benefits sind nun eigentlich gefragt?

Keine materiellen jedenfalls – so viel ist sicher. Eine rezente Studie des Future Forums von Slack zeigt vor allem immaterielle bzw. kulturelle Benefits auf. Demnach sind persönliche Entwicklungsmöglichkeiten wichtiger als Kletterübungen auf der Karriereleiter. Learning & Development muss horizontal anstatt vertikal angelegt sein. „Skills broadening“ statt “skills deepening” – also eine Förderung jener Skills, die über die Anforderungen für den konkreten Job hinausgehen und den Menschen – nicht das Unternehmen – bereichern. Das Future Forum unterstreicht weiters meine eigene Arbeitswelt-Studie dahingehend, dass Autonomie, Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit zu den wichtigsten Werthaltungen der Mitarbeiter zählen, die es auch in der Organisationsentwicklung zu berücksichtigen gilt. Außerdem? Flexibilität, Flexibilität und nochmals Flexibilität, wie bereits meiner Publikation über organisationalen Erfolg zu entnehmen ist. Zeitliche Flexibilität ist dabei wichtiger als räumliche Flexibilität, wodurch unser rigides Arbeitszeitgesetz wieder in den Fokus gerät und die Diskussion um Vertrauensarbeitszeit erneut aufflammt.

Ihr seht schon: der Arbeitswelt stehen schwierige Zeiten bevor. Die aktuelle Entwicklung gesellschaftlicher Werthaltungen und darauf beruhender menschlicher Bedürfnisse stellen Arbeitgeber wie Gesetzgeber vor große Herausforderungen. Diesen Herausforderungen kann allerdings am besten entgegengetreten werden, wenn im Recruiting und in der Mitarbeiterbewertung auf Wertekongruenz geachtet wird. Wenn ihr wissen wollt, was das ist, probiert ihr am besten den "Werte-Assistenten" aus.

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