Wie entsteht eine Compliance- und Ethikkultur in Unternehmen?

Organisationen sind lebende Systeme, die ihre Mitglieder auf unterschiedliche Weise prägen, um eine Kultur entstehen zu lassen. Sie arbeiten dabei einerseits mit dem „Pull-Faktor“ und andererseits mit dem „Push-Faktor“.

Der Pull-Faktor funktioniert aufgrund der Annahme, dass wir mit anderen Menschen verbunden sein wollen. Eine Organisation weckt daher positive Emotionen, die für die Mehrheit ihrer Mitglieder anschlussfähig sind und einen Anreiz darstellen, sich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Dieser Pull-Faktor ist nichts anderes als ein positiv gestalteter Systemzwang.

Allerdings existieren nicht nur Menschen, deren stärkster Verhaltenstreiber die soziale Zugehörigkeit zu einer Gruppe und das damit verbundene „Wir-Gefühl“ ist.  Vielmehr gibt es auch solche, die ihre Motivation primär aus dem Erleben von Selbstwirksamkeit und Eigenständigkeit beziehen. Diese Menschen sind gegen den oben beschriebenen Pull-Faktor ihrer Organisation weitgehend immun. Um sie in das System zu integrieren, braucht es einen „Push-Faktor“, also einen Systemzwang, der die Menschen dazu veranlasst, sich in einer von der Organisation gewünschten Art und Weise zu verhalten. Dieser Push-Faktor besteht aus Regeln, deren Kontrolle und Sanktionen für Regelverstöße.

Nun gibt es allerdings keinen Menschen auf der Welt, der ausschließlich durch die Verbundenheit zu anderen Menschen oder alleine durch das Streben nach Selbstwirksamkeit motivierbar wäre. Kulturelle Eigenheiten in Organisationen entstehen somit nie entweder durch Push-Faktoren oder Pull-Faktoren, sondern immer durch eine Kombination beider. Dies gilt nicht nur, aber insbesondere für eine Compliance-Kultur, die rechtskonformes und ethisches Verhalten ihrer Mitglieder fördern will. Die Compliance-Politik einer Organisation darf daher nicht nur juristisch-repressiv – d.h. regelorientiert – ausfallen, sondern muss stets auch positive kulturelle Anreize setzen.

Dies gelingt mit einer werteorientierten, ethisch fundierten Unternehmensführung. Mehr dazu in meinem Buch "Spannungsfelder im Topmanagement - Ein Praxisleitfaden für gute Corporate Governance".

Christoph W. Dietrich

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