Die dunkle Triade: schädliche und unterstützende Führungseigenschaften

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„Dunkle Triade“ – puh, was für ein Wort. Bilder von Darth Vader, finsteren Klingonenhorden oder der chinesischen Mafia kommen in mir hoch. Allerdings handelt es sich dabei nicht um ein Phänomen aus Science Fiction Filmen oder der Welt des Gewaltverbrechens, sondern um eine Erscheinung, die uns im realen Lebens- und Arbeitsumfeld häufig begegnet. 

Die sogenannte „dunkle Triade“ besteht nämlich aus dem Zusammentreffen folgender drei Persönlichkeitsmerkmale, die sich in unterschiedlicher Ausprägung auch und vor allem in Führungspersönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft wiederfinden:

  1. Narzissmus: d.i. die empathielose, ichbezogene Verfolgung von Eigeninteressen,
  2. Psychopathie: d.i. die affektgesteuerte, gewalttätig-kriminelle Bedürfnisbefriedigung und
  3. Machiavellismus: d.i. eine manipulative, taktisch-strategische Neigung zu Machtausübung und Dominanz anderer Menschen zur Förderung eigener Interessen.

Narzissmus und Psychopathie sind heutzutage in aller Munde, allerdings werden diese Begriffe oft inflationär und falsch verwendet. In der (Populär-)psychologie kursieren durchaus unterschiedliche Definitionen dieser Persönlichkeitsstörungen und auch ich versuche in diesem Artikel keine exakte Begriffsbestimmung*. Fest steht: nicht jeder Egoist ist ein Narzisst, und nicht jeder, der leicht ausrastet, ist ein Psychopath. In den letzten Jahren kann eine Tendenz festgestellt werden, Führungskräfte auf sozialen Plattformen samt und sonders als Narzissten oder gar Psychopathen zu verunglimpfen. Heerscharen von Psychologen warnen in ihren Blogartikeln vor diesem personifizierten Bösen in der Arbeitswelt und geben Tipps zum Umgang mit solchen Menschen.

Die Wahrscheinlichkeit, Narzissten im Alltag zu begegnen, ist jedoch relativ gering. Je nach Studien beläuft sich der Anteil von Narzissten an der Gesamtbevölkerung auf einen niedrigen einstelligen Prozentsatz, jener von Psychopathen ist noch geringer.

Betrachtet man hingegen Führungsetagen, ist der Prozentsatz jener Menschen, die die vorgenannten „Triadenmerkmale“ aufweisen, tatsächlich wesentlich höher. Studien haben etwa ergeben, dass die Anzahl von Psychopathen unter Führungskräften dreimal höher ist als unter Menschen ohne Führungsverantwortung**. Führungskräfte mit stark hervortretenden narzisstischen oder gar psychopathischen Persönlichkeitszügen bleiben jedoch ganz eindeutig in der Minderzahl**. Was hingegen mehrheitlich auf Führungskräfte zutrifft, ist eine ausgeprägte Neigung zu machiavellischem Verhalten. Je höher die Führungsebene und je größer der Verantwortungsbereich, desto stärker ist das Managerverhalten von manipulativen, taktischen und strategischen Überlegungen zur Machtgewinnung und -erhaltung geprägt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, ist doch das globale Wirtschaftssystem – und somit die Manager-DNA  – auf Wachstum gepolt. Eine Zunahme des eigenen Machtbereichs wird daher mit Erfolg, Gewinn und Anerkennung – den universellen Triebfedern von Führungskräften – gleichgesetzt, während ein Schrumpfen desselben mit Misserfolg, Verlust und sozialem Abstieg in Verbindung gebracht wird.

Aufgrund seiner flächendeckenden Verbreitung in den globalen Board Rooms ist machiavellisches Verhalten der stärkste Treiber für organisationales „Silodenken“, d.i. die ausschließliche Berücksichtigung und Bevorzugung des eigenen Verantwortungsbereichs vor anderen Organisationseinheiten, worunter die gedeihliche Entwicklung der Gesamtorganisation empfindlich und dauerhaft leidet. Was kann dagegen getan werden?

Das geeignete Antidot gegen machiavellische Verhaltensweisen in Organisationen besteht im Ausbau und in der Förderung folgender Skills:

  1. Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion stellen essenzielle Kompetenzen dar, mithilfe deren Empathie und ganzheitliches Denken gefördert werden und egozentrisches, an Partikularinteressen orientiertes Denken hintangehalten wird.
  2. Soziale Diagnosefähigkeit oder „organisationale Empathie“ unterstützt Führungskräfte bei der Beantwortung folgender, beispielhafter Fragen: Wie geht es meiner Organisation? Welche Ressourcen braucht sie, um ziel- und lösungsorientiert zu handeln? Welche können über Bord geworfen werden?
  3. Kommunikationskompetenz im Sinne einer fragenden Gesprächsführung, die von aktivem Zuhören geprägt ist und an ehrlichen Antworten interessiert ist. Zur modernen Kommunikationskompetenz gehört selbstverständlich auch und insbesondere die Beherrschung digitaler Kommunikationstools.
  4. Kooperative Führung: d.h. auf Vorschlägen anderer aufbauen, zuhören, für die Beteiligung Aller sorgen, Unterschiede deutlich machen, Konflikte ansprechen und vermitteln, für Entlastung sorgen.
  5. Arbeitsprozesse steuern, indem notwendige Ressourcen sinnvoll verfügbar gemacht werden; Arbeitsprozesse designen, die den Bedürfnissen aller Stakeholder gerecht werden; moderierende Prozesssteuerung, die die Eigenverantwortung aller Beteiligten wahrt und unterstützt.
  6. Organisationskompetenz: Wie können Organisationen ausgerichtet werden, um Ziele bestmöglich zu erreichen? Diese Frage ist allerdings nicht nur anhand von struktur- und prozessorientierten Managementhandbüchern zu beantworten, sondern vor allem anhand von Erkenntnissen der modernen Sozialpsychologie.

Die obengenannten Skills sind daher in Rekrutierungsprozessen von Führungskräften abzufragen, wobei die entscheidende Frage wie folgt lauten sollte: „Wie haben Sie diese Skills in Ihrer beruflichen Vergangenheit eingesetzt? Geben Sie uns ein Beispiel.“

Welche Skills braucht es noch, um gemeinwohlorientierte Organisationen ohne machiavellische Führungskräfte zu schaffen? Schreiben Sie´s mir doch auf Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Wenn Sie Anregungen brauchen, werfen Sie gerne ein Blick in das Buch "Spannungsfelder im Topmanagement - Ein Praxisleitfaden für gute Corporate Governance".

 

Christoph W. Dietrich, 21.11.2023

 

P.S. vom 23.11.2023: Meine Ausführungen über Machiavellismus in Organisationen koinzidieren mit der Publikation des "Pilnacek-Tapes" in österreichischen Medien, in dem Ex-Sektionschef im Justizministerium Christian Pilnacek diverse ÖVP-Politiker:innen (Wolfgang Sobotka, Beatrix Karl) der Einflussnahme auf rechtsstaatliche Prozesse bezichtigt und sie eigentlich sogar inkriminiert. Dieses Tape stellt eines von vielen Praxisbeispielen für unethisches Verhalten in Politik und Behörden dar. Lassen wir es in privatwirtschaftlichen Organisationen nicht so weit kommen und engagieren wir uns für gemeinwohlorientierte Kooperation und gegen eigennutzenorientiertes Machtstreben.

 

*Wer dennoch einen raschen Überblick über psychopathische Wesensmerkmale haben will, dem sei folgende Liste des kanadischen Kriminalpsychologen Robert D. Hare empfohlen:

  1. Trickreich sprachgewandter Blender mit oberflächlichem Charme
  2. Erheblich übersteigertes Selbstwertgefühl
  3. Erlebnishunger, ständiges Gefühl der Langeweile
  4. Pathologisches Lügen 
  5. Betrügerisch-manipulatives Verhalten 
  6. Mangel an Gewissensbissen oder Schuldbewusstsein
  7. Oberflächliche Gefühle
  8. Gefühlskälte, Mangel an Empathie
  9. Parasitärer Lebensstil
  10. Unzureichende Verhaltenskontrolle
  11. sexuelle Promiskuität
  12. Frühe Verhaltensauffälligkeiten
  13. Fehlen von realistischen, langfristigen Zielen
  14. Impulsivität
  15. Mangelnde Bereitschaft und Fähigkeit, Verantwortung für eigenes Handeln zu übernehmen 
  16. Viele kurzzeitige Beziehungen
  17. (Jugend-)kriminalität bzw. kriminelle Neigungen
  18. Ablehnung und Missachtung jedweder Regeln

** Siehe dazu "Corporate Psychopathy - Studienergebnisse, Herausforderungen und die Rolle der Internen Kommunikation im Umgang mit der Dunklen Triade in Unternehmen", Bergk, Frandrup, Morasch (Hrsg.), SpringerGabler 2023.