Wie ausgeprägt ist Ihre Krisenkompetenz?

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„Wie ausgeprägt ist Ihre Krisenkompetenz?“, wollte meine Umfrage am Höhepunkt der Coronakrise wissen. 48 Personen machten bei diesem anonymen Test mit, dessen Ergebnisse ich nun etwas verspätet veröffentliche. Warum gerade jetzt? Zahlreiche Kollegen sprechen mittlerweile von einer Epoche der „Multikrisen“ - ein eskalierender Terminus, den ich persönlich ablehne, weil er für eine positive Weltsicht nicht unbedingt förderlich ist. Dennoch: viele Menschen fühlen eine Krisenstimmung und lassen sich davon auch nicht abbringen, selbst wenn man ihnen sagt, dass ihre Situation objektiv betrachtet gar nicht so schlimm ist. Dieses grassierende Krisengefühl, das zudem gerne von politischen Interessengruppen befeuert wird, verlangt uns mehr Resilienz ab als noch vor einigen Jahren. Der Zeitpunkt scheint also gut gewählt, um meinen beruflichen Schwerpunkt wieder auf Krisenberatung zu verlagern.

Gesamthaft ergab der obengenannte Test einen starken Krisenkompetenz-Score von 7,76/10 auf einer Skala von 1 (schlecht) bis 10 (sehr gut). Welche Kernelemente der Krisenkompetenz habe ich im Detail abgefragt und wie bewerteten sich die Teilnehmer diesbezüglich?

Die erste Testfrage lautete „Wie ausgeprägt ist Ihr Bauchgefühl?“. Warum ist ausgerechnet Bauchgefühl wichtig für Krisenkompetenz? Intuition und Achtsamkeit ermöglichen uns die Wahrnehmung von Gefahren, auch wenn diese noch jenseits des Bewusstseinshorizonts verborgen sind und sich in unserem Leben noch nicht manifestiert haben (sog. „Krisenperzeption“).  Meine Probanden bewerteten ihr Bauchgefühl mit 8,02/10 und verfügen demgemäß über eine sehr gute Krisenperzeption.

Die zweite Frage lautete „Wie ausgeprägt ist Ihr Sozialverhalten?“. Die soziale Komponente unserer Persönlichkeit erlaubt uns, die Unterstützung unserer Mitmenschen in Notsituationen effektiv einzuwerben und sie auch tatsächlich in der gewünschten Form zu erhalten. „Was einer nicht schafft, schaffen viele“ – dieser Slogan eines meiner Kunden bringt diesen sozialen Aspekt der Krisenbekämpfung gut auf den Punkt. Meine Umfrageteilnehmer bewerteten ihr Sozialverhalten mit 8,29/10, also ebenfalls sehr gut.

Die dritte Frage lautete „Wie positiv ist Ihre Lebenseinstellung?“. Eine lebensbejahende Grundhaltung erlaubt uns, den Kopf über Wasser zu halten, wenn die Wellen des Krisensturms über uns hinwegschwappen. Wir bewerten alle Lebenssachverhalte als grundsätzlich nützlich, lehrreich oder wertvoll, anstatt sie als widrig, unheilvoll oder schadensbringend wahrzunehmen. Meine Umfrageteilnehmer bewerteten ihre diesbezügliche Fähigkeit mit 8,02/10.

Die vierte Frage lautete „Wie aktiv gestalten Sie Ihr Leben?“. Diese Frage zielt auf die menschliche Umsetzungskompetenz ab, die für das aktive Krisenmanagement – also die willentliche und planende Veränderung krisenauslösender Faktoren – unabdingbar ist. Wenig erstaunlich ist für mich aufgrund meiner bisherigen Arbeitserfahrung, dass die Umfrageteilnehmer ihre aktive Gestaltungsfähigkeit eher unterdurchschnittlich – nämlich mit 7,40/10 – bewerteten. Eine besonders ausgeprägte Umsetzungskompetenz (d.i. die Fähigkeit, rasch vom Denken ins Tun zu kommen und Projekte durchzuziehen) besitzen nämlich vor allem Unternehmer, Topmanager und andere Leistungsträger, die Großes für sich und andere erreichen wollen und dazu auch imstande sind. Die Liga dieser „Macher“ ist nun einmal ein kleiner und elitärer Club, dem nicht jeder angehört.

Das fünfte Kernelement der Krisenkompetenz stellt das menschliche Schöpfungsvermögen dar. Daher stellte ich die Frage „Wie kreativ sind Sie?“. Auch diesbezüglich gaben sich die Umfrageteilnehmer nicht unbedingt Höchstnoten: 7,19/10. Dabei ist Kreativität im Allgemeinen und optionales Denken im Besonderen wichtig, um sich aus Krisen „herausdenken“ und geeignete Lösungen konzipieren zu können. In schwierigen Situationen handeln Menschen schließlich meistens routinemäßig, obwohl eigentlich eine Abkehr vom Gewohnten und ein Beschreiten neuer Wege angebracht wäre.

Die sechste Frage lautete „Wie unerschütterlich sind Sie?“. Meine Teilnehmer gaben sich diesbezüglich einen Wert von 7,54/10. Unerschütterlichkeit stellt eine Schlüsseleigenschaft für Krisenkompetenz dar und ist insbesondere in Menschen zu finden, die von ihrer Existenzberechtigung und der Richtigkeit Ihres Handelns zutiefst überzeugt sind. Diese Menschen kennen und pflegen ihre Werte. Sie wissen, was sie wollen und wie sie es aus eigenem Antrieb erreichen. Essenziell für die Ausprägung von Unerschütterlichkeit ist die Erfahrung von Liebe, Ruhe, Geborgenheit und Unterstützung in den frühen Stadien des Lebens ((lies mehr dazu in Spektrum.de).

Äußerst positiv bewerteten meine Teilnehmer ihre Authentizität. Auf die Frage „Wie authentisch sind Sie?“ gaben sie sich eine Note von 8,22/10. Authentizität bedeutet, dass das Denken, das Handeln und die Kommunikation einer Person stimmig sind. Es handelt sich somit um eine Eigenschaft, die eng mit Redlichkeit, Vertrauen oder Verlässlichkeit verwandt ist. Diese Menschen sind sehr wertebewusst und finden in schwierigen Situationen in ihren Werten Halt. Haltung zu bewahren und sich nicht unterkriegen zu lassen, fällt ihnen daher leichter als anderen Personen.

Die achte Frage lautete „Wie wachsam sind Sie?“. Wachsame Menschen besitzen die Fähigkeit und Neigung, sich mit potentiellen Gefahren und Risikoquellen auseinanderzusetzen, um Schäden jedweder Art abzuwenden. Krisenkompetenz benötigt dieses vorbeugende Risikomanagement, um Krisen erst gar nicht aufkommen zu lassen oder zumindest abmildern zu können. Eine schwach ausgeprägte Wachsamkeit lässt sich als Leichtgläubigkeit oder Naivität übersetzen, eine starke Ausprägung artet in Misstrauen oder gar Paranoia aus. Beide Extreme sind im Kontext der Krisenkompetenz nicht hilfreich. Meine Testteilnehmer bewerteten ihre Wachsamkeit mit 7,65/10.

Eine deutsche Wirtschaftszeitung titelte neulich „Topmanager sind zu ungeduldig“. Natürlich sind sie das, weil sie ja proaktive Macher sind, wie wir vorhin besprochen haben. Dennoch ist Geduld eine nicht zu unterschätzende Führungsqualität und daher auch eine wesentliche Komponente der Krisenkompetenz. Während Umsetzungskompetenz uns befähigt, aktives Veränderungsmanagement zu betreiben, hilft uns Geduld dabei, Krisen einfach auszuhalten. Diese Eigenschaft ist besonders dann gefragt, wenn es darum geht, unüberlegte oder überhastete Handlungen in komplexen, unübersichtlichen und daher nicht entscheidungsreifen Situationen hintanzuhalten. Geduld stärkt somit unsere Reflexionsfähigkeit. Ungeduldig sind offensichtlich nicht nur Topmanager, sondern auch meine Testteilnehmer: sie bewerteten ihre Geduld lediglich mit 6,71/10.

Das zehnte Kernelement der Krisenkompetenz stellt die Selbstverantwortung dar. Diese Haltung trägt gemeinsam mit anderen Werten wie (Selbst-)disziplin, Authentizität, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit wesentlich zur personalen Stärkung in schwierigen Situationen bei. Sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen und sich nicht nur auf die Hilfe anderer Menschen zu verlassen, ist ein starkes Fundament für Krisenfitness. Meine Umfrageteilnehmer bewerteten ihre Selbstverantwortung außerordentlich hoch: 8,58/10.

Gesamthaft ergab der Test – wie eingangs erwähnt – einen Krisenkompetenz-Score von 7,76/10. Demnach wären meine Umfrageteilnehmer für Krisen jedweder Art gut gewappnet – oder doch nicht? Die Antwort ist ein klares „Jein“. Selbsteinschätzung birgt natürlich immer die Gefahr der Selbstüberschätzung – eine weitverbreitete menschliche Eigenschaft, die unser Entscheidungsverhalten massiv beeinträchtigt. Wenn ich die Testergebnisse betrachte, beschleicht mich überdies der Verdacht, dass dieses Self-Assessment nicht unabhängig von gewissen „Modeerscheinungen“ ist. Die Teilnehmer bewerteten nämlich jene Eigenschaften und Fähigkeiten, die aktuell in unserer Gesellschaft einen großen Stellenwert besitzen (z.B. Sozialkompetenz, Achtsamkeit, Authentizität, Selbstverantwortung), besonders hoch. Geduld und Wachsamkeit hingegen sind heutzutage keine gefragten Tugenden – somit kann man sich diesbezüglich also getrost eine schlechtere Note geben.

Um eine einigermaßen realistische Einschätzung des Krisenverhaltens meiner Testpersonen zu erhalten, bedürfte es daher zusätzlicher, strukturierter Interviews. Wenn Sie die Krisenfitness ihrer Mitarbeiter beurteilen wollen, schreiben Sie mir gerne unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. Die zehn Kernelemente der Krisenkompetenz haben übrigens auch im organisationalen Kontext Geltung. Sehen wir uns doch gemeinsam die Resilienz Ihres Unternehmens unter den Aspekten Finanzplanung und Risikomanagement an.

 

Christoph W. Dietrich

17.1.2024