145 Werte: #27 Diskretion

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Martina war jahrelang im Sales-Bereich eines Dienstleistungsunternehmens tätig gewesen, bevor sie ihren Job verlor. Nach einer nervenzehrenden Jobsuche startet sie nun als Sachbearbeiterin in einer Behörde neu durch. Der Unterschied in der Unternehmenskultur im Vergleich zu ihrem vorherigen Arbeitgeber ist krass. Nicht nur, dass Ordnung, Genauigkeit und reglementierte Arbeitsprozesse in ihrem Arbeitsleben nun eine größere Rolle als bisher spielen. Da ist auch diese Verschwiegenheit. Wem darf Martina Auskunft erteilen? Wer hat ein Recht auf Information, und mit wem darf sie keinesfalls kommunizieren? Nicht nur im Verhältnis zu ihren Parteien sind diese Fragen schwierig zu beurteilen, sondern auch behördenintern existieren „Firewalls“, die sie zu wahren hat. Auch mit ihrem Freund darf sie nicht über Berufliches sprechen. Für eine extrovertierte Persönlichkeit wie Martina ist Diskretion eine Herausforderung. Zwar versteht sie, warum das für ihren Arbeitsgeber einen hohen Stellenwert hat – emotional annehmen kann sie es für sich aber nicht. Martina meint, dass die behördliche Verschwiegenheit auch Auswirkungen auf das Arbeitsklima hat. Die Kolleginnen sind kurz angebunden, reden bestenfalls oberflächlich über ihre Arbeit, Wissensaustausch findet kaum statt. Kooperatives, vernetztes Arbeiten genießt keine Priorität. Martina fragt sich, ob die Behörde ihre Arbeitsvorschriften nicht auch anders leben könnte. Bald wird ihr klar, dass dieser Job nichts für sie ist – und erleichtert kündigt sie, als sich eine Gelegenheit in ihrer angestammten Branche auftut.