Agilität: nachhaltig umsetzbar oder doof?

Ich hatte bereits an anderer Stelle gegen Agilität gewettert und dachte, ich hätte mir damit genügend Luft gemacht (siehe diesen Artikel) . Als ich aber neulich die Jänner-Ausgabe von „OrganisationsEntwicklung“ aufschlug, kam sie wieder in mir hoch – diese Abneigung gegen Agilitätskonzepte. Worauf meine Abneigung beruht? Ich zitiere aus dem Artikel „Wie werden Organisationen nachhaltig agil?“ (Dithmar, Roitsch und Altmeppen):

„Ausgehend von dem Agilen Manifest haben wir fünf Dimensionen abgeleitet, die die Eckpfeiler agilen Arbeitens und die Grundlagen von agilen Organisationen darstellen:

  1. Customer Value: Wie wird ein Lernprozess sichergestellt, um den Wert für den Kunden kontinuierlich zu maximieren?
  2. Frequent Delivery: Wie wird ein hochfrequenter Feedbackzyklus erreicht, um schnelles Lernen und schnelle Adaption des Gelernten sicherzustellen?
  3. Human Centric: Wie wird erreicht, dass der Mensch in den Mittelpunkt gesetzt wird, weil dies zu schnelleren Entscheidungen und höherer Motivation führt?
  4. Technical Excellence: Welche technische Infrastruktur ist notwendig, um den Prozess optimal in Bezug auf die Schnelligkeit und Qualität in der Entwicklung zu unterstützen?
  5. End User Collaboration: Wie wird ein kontinuierlicher Austausch mit den End-Usern erreicht, sodass deren Geschäftsnutzen maximiert wird?“

Wie dieser Absatz demonstriert, geht es bei Agilität lediglich um die Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit und Nutzenmaximierung. Wie kann Kundennutzen fortwährend maximiert werden? Wie kann kontinuierliche Schnelligkeit nachhaltig sein? Mir erscheint Agilität als unerfüllbares Heilsversprechen an verzweifelte Manager, denen die Märkte weg-, die Margen ein- und die Mitarbeiter zusammenbrechen. Wie wollen wir in Österreich (oder Europa) agile Organisationen schaffen, wenn Agilität nicht Teil unserer gesellschaftlichen DNA ist? Wenn unser Bildungssystem nur dazu geeignet ist, Beamten und Funktionäre hervorzubringen statt junger Menschen, die sich nach der Decke strecken? Wenn unser Sozialstaat uns den letzten Rest Eigenverantwortlichkeit aberzieht? Wenn Verwaltung und Regulierung überbordend sind? Wenn „Schau ma moi (schauen wir mal)“ die bessere Option ist als „Wir machen´s einfach“? Wer in Anti-Agilität sozialisiert wurde, kann nicht ohne weiteres auf Agilität umschalten. Daher werden solche Konzepte nie den gewünschten (geschweige denn nachhaltigen) Erfolg bringen.

PS:

Für alle LeserInnen meines Blogs, die an werteorientierter Unternehmensführung interessiert sind: "Spannungsfelder im Topmanagement - Ein Praxisleitfaden für gute Corporate Governance" ist im September 2022 neu erschienen. Gute Einsichten bei dieser Lektüre wünscht,

 

Christoph Dietrich

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