145 Werte: #55 Gerechtigkeit

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Herbert schmollt. Nein, er schmollt nicht nur, sondern er ist regelrecht außer sich vor Wut. Bereits zum zweiten Mal in drei Jahren wurde er bei einer Beförderung übergangen. Ganz zu schweigen von der Bonusverteilung zum Jahresende, die eine komplette Frechheit war. „Das ist einfach nicht gerecht“, dachte er, als er damals mit geballter Faust in der Hosentasche vor seiner Vorgesetzten stand. Wortlos war er aus ihrem Büro gestiefelt und hatte die Tür laut hinter sich ins Schloss fallen lassen. Aber nun mal der Reihe nach: warum fühlt sich Herbert eigentlich ungerecht behandelt? Bloß weil die Teamleitungsposition wieder an eine Frau ging? „Schon die dritte in diesem Jahr. Es werden gefühlt nur noch Kolleginnen befördert, weil´s halt der Zeitgeist erfordert“, denkt er resignierend. „Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun. Was hat die, was ich nicht habe? Ich habe jahrelang in meine Weiterbildung investiert – sie nicht. Ich habe eine Familie zu versorgen – sie nicht. Ich bin länger im Unternehmen als sie.“ Genau diese Frage („was hat sie, was ich nicht habe?“) konnte ihm seine Chefin nicht eindeutig beantworten. Sie faselte was von „Diversifikation“, „Quereinsteigerin“ und „notwendigem Perspektivenwechsel“. Herbert fühlt sich deswegen zurückgesetzt, weil den Bewerbern für diese Position nicht von vornherein transparent gemacht wurde, was denn die ausschlaggebenden Kriterien für den Aufstieg sind. Hätte er gewusst, dass die Geschäftsführung wegen der mauen Ergebnisse eine Neuausrichtung plant und frischer Wind in dieser Unternehmensphase mehr zählt als Loyalität – er hätte sich die Bewerbung mit dem mehrstündigen Führungskräfte-Screening und der hochnotpeinlichen Befragung durch den Personalberater nicht angetan. Als ihm seine Chefin auch noch erklärt, dass „Frauen lange Zeit in ähnlicher Weise plafondiert“ worden seien, wächst in ihm das Gefühl, dass es hier eher um Wiedergutmachung oder gar Rache, aber nicht um Gerechtigkeit geht. Hätte die Unternehmensführung nicht auch explizit sagen können, dass Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt werden? Und wenn schon eine Quote erreicht werden soll – wie hoch ist sie, auf welche Führungspositionen erstreckt sie sich?

Als Herbert am Jahresende seinen Bonusbrief öffnete, wurden seine Erwartungen wieder enttäuscht. „Ich hab´ doch meine Deals gebracht, das Budget erfüllt – warum nur so wenig?“, dachte er mit hängender Kinnlade. Hintenrum erfuhr Herbert, dass seine Geschäftssparte bei der neuen Geschäftsführung nicht besonders hoch im Kurs stünde. „Was heißt das denn jetzt? Was ist denn das für ein Kriterium?“, ärgert sich Herbert und stellt sich wieder die Gerechtigkeitsfrage. „Gerechtigkeit ist der optimale Zustand eines sozialen Miteinanders, bei dem stets ein fairer Ausgleich aller Interessen, Vergütungen sowie Chancen hergestellt wird“, sagt Google. „Was hilft´s“, denkt sich Herbert, „wenn ein Ausgleich geschieht, aber keiner weiß, wie er zustande gekommen ist?“. Und da hat Herbert Recht – denn Gerechtigkeit wird nur dann als solche empfunden, wenn nicht nur das Ergebnis stimmt, sondern auch der Weg dahin für alle Beteiligten transparent gemacht wird. 

PS: Ich wurde neulich gefragt, warum im Werte-Assistenten "so viele gleiche Werte vorkommen", wie eben zum Beispiel Fairness und Gerechtigkeit. Da gibt´s doch keinen Unterschied? Mitnichten – gibt es doch. „Gerechtigkeit“ wird im moralisch-rechtlichen Kontext verwendet, während man im Sport, in der Wirtschaft und in der Politik (also überall dort, wo´s besonders kompetitiv zugeht) den Begriff „Fairness“ verwendet. „Gerechtigkeit“ bezeichnet einen Ausgleich zwischen konkurrierenden Interessen verschiedener Parteien durch eine höhere Macht oder übergeordnete Instanz, woei dieser Ausgleich in den meisten Kulturen als hohes kollektives Gut gilt. Ein Richterspruch oder eine Vorstandsentscheidung etwa wird von Betroffenen als gerecht bezeichnet. „Fairness“ bezeichnet die Haltung eines Menschen, die ihn dazu verlasst, nicht jeden Vorteil rücksichtslos auszunutzen oder jede Stärke unbotmäßig auszuspielen, selbst wenn es ihm möglich wäre. Vielmehr sollen Vorteile an Schwächere weitergegeben und Stärken auch zugunsten Benachteiligter eingesetzt werden. Ein fairer Mensch lässt bei der Erreichung seiner Ziele Transparenz walten und setzt sozial akzeptierte Mittel ein.

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