Hybrid work needs hybrid values

„Aus dem Blickwinkel der Personalführung betrachtet, wollen wir sicherstellen, dass wir beide Gruppen gleichwertig unterstützen“, sagt ein Personalchef eines US-Unternehmens, dass 85% seiner MitarbeiterInnen auch nach der Pandemie im Home Office haben wird. Die „beiden Gruppen“ – das sind die physisch und virtuell präsenten Angestellten. Der Personalchef weiß um die Stolpersteine seines neuen Hybrid Work – Konzeptes. Schauen wir uns diese einmal näher an:

Obwohl die überwältigende Mehrheit der Angestellten freiwillig, ja mit wehenden Fahnen, zum neuen Home-Office – Modell übergelaufen ist, bestehen Vorbehalte in der Belegschaft. Damit sich diese nicht zu Existenzängsten auswachsen, muss das Unternehmen etwas tun. Führungskräften ein Remote-First Mindset beibringen, zum Beispiel. Damit soll Mitarbeitern die Angst genommen werden, nicht gesehen, nicht wahrgenommen und mit ihrer Leistung daher auch nicht anerkannt zu werden. Die Interaktion mit und die Wahrnehmung durch den Vorgesetzten spielt nicht nur eine Rolle, wenn man die Karriereleiter erklimmen will, sondern auch wenn´s wieder abwärts geht. Aus den Augen, aus dem Sinn – wer dem Chef nicht nahe ist, wird zum Kanonenfutter, wenn´s um Redundanzen geht. Führungskräfte müssen sich daher zunächst mal bewusst machen, dass sie – wie alle Menschen – diesem Proximity Bias unterliegen und dann bewusst gegensteuern, indem sie den Menschen im Home Office entsprechende Face Time reservieren.

Warum es in Unternehmen mit Home Office Mitarbeitern einen reflektierten Umgang mit dem Proximity Bias braucht, erklären uns Studien wie z.B. Werte in der Arbeitswelt - was Arbeitnehmer und Arbeitgeber verbindet. Werte wie Empathie, Anerkennung, Wertschätzung und Vertrauen stehen bei Arbeitnehmern so hoch im Kurs wie nie zuvor. Wenn Arbeitgeber diese Werte nicht in ihre Unternehmenskultur zu integrieren vermögen, sind sie ihre Angestellten schneller los, als sie „Tschüss“ sagen können. Nehmen Führungskräfte ihre MitarbeiterInnen nicht wahr, erodiert die emotionale Verbindung, was einen immensen Motivations- und Produktivitätsverlust nach sich zieht.

Ein weiterer Stolperstein bei der Einführung von Home Office ist das In Group – Out Group Phänomen. Das Unternehmen zerfällt dabei in zwei Gruppen, nämlich die überwiegend anwesenden und die überwiegend abwesenden MitarbeiterInnen. In beiden Gruppen können sich Werthaltungen, Ansichten und Einstellungen herausbilden, die einer Unternehmenskultur nicht zuträglich sind. Die In Group könnte sich etwa einreden, dass sie der „harte Kern“ sei, die „Treuen“, die „Unverzichtbaren“ – diejenigen also, die die wahren Werte der alten Arbeitswelt noch hochhalten. Von der Out Group könnten sie sich beispielsweise dadurch abgrenzen, dass sie diese abwertend als „Home Luschis“ oder „Sofa Workers“ bezeichnen. Die Out Group selbst könnte sich ein Anerkennungsdefizit einreden: „Wir sind die Zweitklassigen, die Unsichtbaren, die Ausgegrenzten.“ Erzählen sich diese MitarbeiterInnen derlei Geschichten über sich selbst, laufen sie Gefahr, eine „Bunkermentalität“ zu entwickeln. Je weniger Austausch zwischen beiden Gruppen stattfindet, desto mehr verstärken sich derlei Ansichten. Dies führt zu einem Auseinanderdriften und zur Bildung unerwünschter organisationaler Silos.

Bis jetzt haben wir nur darüber geredet, was HR und Führungskräfte in einem Hybrid Work – Szenario tun müssen. Das wäre allerdings eine reichlich einseitige Betrachtungsweise. Ich meine nämlich, dass auch Home Office Mitarbeiter ihre Arbeitseinstellung überdenken müssen. Hybrid work needs hybrid values. Braucht es nicht einen Freelancing Spirit, um im Home Office erfolgreich zu sein? Ein bisschen mehr vom Mindset eines Selbständigen, eines Ein-Personen-Unternehmens? Viele Arbeitnehmer wünschen sich unabhängiges und selbstbestimmtes Arbeiten – doch können sie es? Ich melde Zweifel an. Im Home Office zu arbeiten, heißt auf gewohnte Ressourcen für den Arbeitserfolg zu verzichten. Die größte Gefahr ist die Einsamkeit, die weit schlimmere mentale Konsequenzen als Motivations- und Effektivitätsverlust nach sich ziehen kann. Die moderne Arbeitswelt im allgemeinen und das Home Office im Besonderen erfordern zweifelsohne Eigenschaften wie Anpassungsfähigkeit, Technologieaffinität und Kreativität. Es braucht allerdings auch Selbstverantwortung, Selbstdisziplin und intrinsische Motivationsfähigkeit. Darüber hinaus auch noch ein Quäntchen Eigenmarketing, um mit der eigenen Leistung aus der Masse anonymer HeimarbeiterInnen hervorzustechen. Allerdings handelt es sich dabei um Eigenschaften, die insbesondere für Millenials nicht unbedingt kennzeichnend sind.

Für Home Office Mitarbeiter gilt daher: „Frage nicht, was dein Unternehmen für dich tun kann – sondern was du für dein Unternehmen tun kannst“. Im Klartext: Warte nicht, bis dich dein Vorgesetzter abholt, sondern hole du ihn ab. Lass dich durch den Ressourcenmangel im Home Office nicht entmutigen, sondern beschaffe dir, was du brauchst. Behalte jene Gewohnheiten, die du im Home Office brauchst, und wirf andere über Bord. Netzwerke, wie du bis jetzt noch nie genetzwerkt hast. Hilf deinem Unternehmen, dich nicht zu vergessen.

Hybrid Work braucht also nicht nur eine neue Art der Führung, sondern auch eine neue Art der Selbstführung.

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