145 Werte: #61 Güte - warum die Arbeitswelt mehr davon braucht

„Güte“ – ein Wort, dass in der Arbeitswelt nicht oft vorkommt. Außer wenn der Chef genervt sagt: „Hätten Sie die Güte, mir Ihre Zahlen genauer zu erklären?“ Oder wenn er sich an den Kopf greift und ruft: „Meine Güte, unsere Auftragslage ist aber schlecht!“ Es ist nicht weiter verwunderlich, dass „Güte“ aus dem Sprachgebrauch im Wirtschaftsleben gestrichen wurde, wird darunter doch gemeinhin Nachsicht, Wohlwollen oder Milde verstanden. Werte, die wir eher im Bereich der Religion verorten oder die eine spirituelle Konnotation haben. In Zeiten der Digitalisierung, in denen sich das Rad immer schneller dreht, der Innovationsdruck immer spürbarer und Zeit ein immer knapperes Gut wird, übersehen wir gerne die Wohltaten der Güte.

Güte erscheint mir eine wesentliche Ingredienz für eine funktionierende Fehlerkultur zu sein – eine Fehlerkultur, die für unsere Entwicklung förderlich ist und daher auch von Verfechtern des Agilitätskonzepts vehement eingefordert wird. Unternehmen sind keine perfekten Maschinen, deren Zahnräder immer gut geschmiert laufen. Ganz im Gegenteil: Unternehmen sind komplexe Wesen, die aus vielen Organen mit unterschiedlichen Funktionen bestehen. Emotionen, Interessen, Werte und Kompetenzen sind die Körpersäfte, die diese Wesen am Leben erhalten oder zerstören. Lineares, monokausales Denken („Wenn ich X mache, dann resultiert Y“) funktioniert daher in der Unternehmensführung nicht. „Ambiguitätstoleranz“ wird immer wichtiger: das Stehenlassen und Aushalten von Unvereinbarkeiten und Widersprüchen; die Einsicht, dass wir nicht auf alles Einfluss haben, dass wir Ergebnisse nicht erzwingen können und dass „Yes we can“ oftmals nicht funktioniert wie gewünscht. Wir brauchen also die Fähigkeit, mit uns selbst und unserem Umfeld Nachsicht und Milde zu üben. Diese Eigenschaften sind einer Fehlerkultur zuträglich, die in erster Linie nach Ursachen forscht und erst in zweiter Linie die Verschuldensfrage stellt, um hernach legitime Sanktionen und einen Lernprozess einzuleiten. In unserer Arbeitswelt bemerke ich häufig das Gegenteil: wie im Wilden Westen wird zuerst geschossen und dann erst gefragt, wer das Problem verursacht hat. Nach den „lessons learned“ kräht kein Hahn.

Nachsicht ist eine wesentliche Eigenschaft erfolgreicher Führungskräfte, da sie den Stresslevel von MitarbeiterInnen in angespannten Situationen bedeutend reduziert. Güte ist daher ein wirksames Antidot gegen Angst. Gerade in Zeiten verstärkten Erneuerungs- und Veränderungsstrebens ist Angstabbau angesagt, um rascher vorwärts zu kommen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der noch immer die Angst vor Verlust ein wichtigerer Treiber ist als die Hoffnung auf Gewinn. Und das müssen wir umdrehen.  

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