Supportive Leadership - wie geht das? (Teil 2/3)

Ich kam mir vor wie der Hundetrainer Martin Rütter: „Der tut nix!" Nur dass mir kein Haustierbesitzer, sondern eine Führungskraft gegenübersaß. Konsterniert fragte ich nach: „Wie jetzt – der tut nix. Wer tut was nicht?“ Und auf einmal brach es aus meinem Gesprächspartner hervor: „Der Hinke, mein Gruppenleiter. Seit 10 Jahren arbeiten wir zusammen, immer bestes Einvernehmen, gute Leistung, eine Säule meines Bereichs. Und jetzt? Seit unser Programm Fit2030 läuft, ist der Ofen aus. Schlimmer noch, sein ganzes Team tut nix. Die kommen nicht in die Umsetzung. Die Reorganisationsziele stehen klar an der Wand, wir haben Prozesse zur Zielerreichung aufgesetzt, alle haben sie abgenickt – aber keiner tut was.“ Das Bild eines schwanzwedelnden Rütter-Coachees, der ungeduldig hechelnd auf sein Leckerli wartet, tat sich vor meinen Augen auf und ich musste unwillkürlich lächeln: ein klarer Fall für „Supportive Leadership“. Drei wesentliche Säulen dieses Management-Prinzips sollen hier vorgestellt werden:

 

  1. Neue Herausforderungen für Mitarbeiter gestalten
  2. Positive Erwartungshaltungen in Mitarbeitern wecken
  3. Eine positive Fehlerkultur in der Organisation etablieren

Schauen wir uns in diesem Blogbeitrag Nummer 2 an:

 

2. POSITIVE ERWARTUNGSHALTUNG WECKEN

„Supportive Leadership“ bedeutet auch, positive Erwartungshaltungen in Mitarbeitern zu wecken. Was sind die Ingredienzien dafür?

a. Geben Sie Ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Stimme in Diskussionen und Entscheidungsprozessen einzubringen und überantworten Sie ihnen „Prozesskontrolle“ (dh sie können den Entscheidungsprozess vor der Entscheidung beeinflussen) und/oder „Entscheidungskontrolle“ (dh sie werden befähigt, die Entscheidung selbst zu beeinflussen).

b. Sorgen Sie für Konsistenz in Entscheidungsprozessen. Das erreichen Sie, indem diese unabhängig von den involvierten Personen und dem zeitlichen Kontext immer gleich und somit vorhersehbar ablaufen. Damit kreieren sie ein „Level Playing Field“ für alle Beteiligten.

c. Treffen Sie informierte Entscheidungen: Bereiten Sie eine valide, reflektierte und der jeweiligen Situation angepasste Entscheidungsgrundlage vor. Damit kann Ihnen keiner Willkür vorwerfen.

d. Machen Sie Ihre Entscheidungsgrundlagen transparent – erklären Sie, warum welche Daten zu Ihrer Entscheidung beigetragen haben.

e. Fragen Sie sich, welches Interesse Sie selbst als Führungskraft an einer bestimmten Entscheidung haben – und stellen Sie dieses Interesse zur Seite. Stellen Sie sich dieselbe Frage aus dem Blickwinkel Ihrer Organisation und aller Beteiligter und beantworten Sie sich ehrlich, ob die Entscheidung dann noch immer ein gute ist.

f. Setzen Sie Ihre Entscheidung so um, dass allen Beteiligten Respekt entgegengebracht wird. Negative Auswirkungen von Change-Prozessen werden von Beteiligten umso eher akzeptiert, wenn die persönliche Würde nicht angegriffen wird. Fairness trägt damit wesentlich zur Deeskalation von Konflikten bei. Insbesondere im Trennungsmanagement wird dadurch die Anzahl arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen wesentlich reduziert.

g. Führen Sie agile Arbeitsprozesse mit vielen kleinen Schritten und Etappenerfolgen ein, die mit einem Blick auf den Erreichungsgrad des ultimativen Ziels gefeiert werden. Feiern heißt in diesem Kontext nicht, dass sie bei der nächsten Mitarbeiterbesprechung ein paar Erdnüsse auf den Tisch stellen. Feiern Sie, dass die Schwarte kracht – Erfolge müssen emotional erlebbar gemacht werden!

h. Stellen Sie Ihren Mitarbeitern so viel Autonomie und Ressourcen zur Verfügung wie möglich. Ressourcenloses Arbeiten führt zu Frustration. Arbeit, die im Wissen um mangelnde Fähigkeiten und Unvermögen verrichtet wird, führt zu Angst.

„Wir haben jede Menge Schnittstellenpapiere, Prozessbeschreibungen und Arbeitshandbücher, und ich denke mal, dass jeder in meinem Haus die auch kennt. Gelebt werden sie aber nicht. Für unseren neuen Produktionsprozess brauchen wir ebenfalls eine Dokumentation, aber ich fürchte, sie wird dasselbe Schicksal erleiden“, sagte mein Gesprächspartner schicksalsergeben. Kommt Ihnen bekannt vor? Wenn „die“ wieder einmal „nix tun“, versuchen Sie´s doch einfach mal mit „Job Crafting“, einer mächtigen Methode, die Menschen Gestaltungskraft verleiht und sie in die Umsetzung bringt.

Wie läuft Job Crafting ab?

Sie begeben sich mit Ihren Mitarbeitern einen Tag lang in Klausur und überlegen Sie gemeinsam, wie sie einen Beitrag zur Verwirklichung übergeordneter Ziele leisten können. Die Prozessherrschaft wird dabei ausschließlich eigenverantwortlich agierenden Mitarbeitern überlassen, die bereits am Beginn des Prozesses von Ihnen als Vorgesetzten die Ermächtigung erhalten haben, die selbst kreierten Arbeitsschritte auch umsetzen zu dürfen. Das Überordnungsverhältnis zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern wird für die Dauer dieses Workshops mal ausgeblendet. Sie begeben sich lösungsoffen auf die Ebene ihrer Mitarbeiter und greifen nicht direktiv ein. Ein externer Facilitator, der mit Fragetechniken den Prozess steuert, Emotionen aufnimmt und bearbeitet, erweist sich als hilfreich. Als nächstes brauchen Sie vier Flipcharts. Sowohl die Aufgabenstellungen im Job als auch die notwendigen Ressourcen (Wissen, Fähigkeiten, Vermögen) werden nach Ist-Empfinden und Wunsch-Zustand aufgelistet. Damit wird das Delta zwischen Ist und Wunsch für alle Mitarbeiter sichtbar gemacht. Nun ist die Grundlage für die Königsfrage an die Workshop-Teilnehmer geschaffen: „Welche konkreten Schritte setze ich persönlich, um vom Ist- in den Wunschzustand zu gelangen?“ Die Antworten auf diese Frage werden auf einem fünften Flipchart festgehalten und werden solange diskutiert und priorisiert, bis ein Konsens unter den Anwesenden fühlbar wird, dass hier gemeinsam etwas Wichtiges und Richtiges für das Team auf den Weg gebracht worden ist. Was gilt es zu beachten, um mit dieser Methode Erfolg zu haben? Job Crafting darf nicht nur auf die Aufgaben reduziert werden, da erst durch die Analyse der Ressourcen ein Gefühl von Selbstwirksamkeit unter den Beteiligten entsteht. Die Königsfrage konfrontiert die Beteiligten mit konkreten Umsetzungsherausforderungen. Unterbleibt sie, laufen die Beteiligten Gefahr, durch alleinige Introspektion in die Defizitorientierung zu kippen. Selbstwertminderung statt Tatkraft wäre dann das Resultat.  

 

Lesen gerne weiter: "Supportive Leadership - wie geht das? (Teil 3)"

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