Wenn Interesse nicht genug ist

Interesse - ein wichtiger und vielstrapazierter Wert in unserer Arbeitswelt. Dazu heute mal eine Begebenheit aus einem Jobtraining:

Chris hat eben die gefühlt hundertste Bewerbung verschickt. In allen Motivationsschreiben unterstreicht er sein „vielseitiges Interesse“. Einem Arbeitgeber müsste das doch wichtig sein, zumal Chris dadurch auch vielseitig einsetzbar wäre – denkt er. Tatsächlich gibt es wenige Fachgebiete, die ihn vollkommen kalt lassen. Er schlägt die Zeitung auf, liest etwas – und schwupps ist sein Interesse geweckt. Egal ob Politik, Recht, Wirtschaft, Finanzen, Medizin, Technik – er beginnt sofort zu recherchieren und hört nicht eher auf, bis sein Wissensdurst gestillt ist. Er folgt dabei seinem inneren Antrieb. Nie musste ihn jemand dafür belohnen, ihn auffordern oder antreiben.

Einige Male wurde er auch bereits zu einem Interview eingeladen. Jeder Recruiter sprach ihn auf das „vielseitige Interesse“ an. „Ich sehe, dass Sie sich mit vielen Dingen beschäftigen – aber worauf fokussieren Sie sich besonders?“ Chris vermochte darauf nur eine vage Antwort zu geben. „Ich kann mir viele Wissensgebiete rasch erschließen. Je komplexer das Fachgebiet, desto mehr Spaß hab´ ich daran. Eine besondere Neigung hab´ ich aber nicht.“ Bei einem anderen Interview wurde er gefragt: „Wofür brennen Sie?“ Diese Frage war Chris unangenehm. Nicht nur, weil er es ablehnt, sich festlegen zu lassen, sondern auch, weil er derart starke Emotionen nicht empfinden kann. Und so antwortete er missmutig: „Wer für etwas brennt, brennt leicht aus.“ Die Enttäuschung über diese Antwort stand dem Recruiter ins Gesicht geschrieben und das Gespräch war bald zu Ende.

Und so erging es ihm noch einige Male. Chris bekam zusehends den Eindruck, dass Interesse in der heutigen Arbeitswelt nicht mehr ausreicht. In einer Gesellschaft, die nur noch in emotionsgeladenen Superlativen formuliert, ist Leidenschaft, Passion und Feuer gefordert - Interesse in übersteigerter Form eben. Als Chris in Jobinterviews dazu überging, diese Wörter zu verwenden und sich auf ein bis zwei Spezialgebiete zu fokussieren, hat´s dann auf einmal geklappt.

Welche #Werte und Einstellungen es außer Interesse noch gibt, liest du im #Werte-Blog oder im #Werte-Assistent.

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